MORGEN IST AUCH NOCH EIN TAG

Klug, mutig und mit Witz: die besten Filme über starke Frauen

Mit MORGEN IST AUCH NOCH EIN TAG ist Paola Cortellesi ein Überraschungserfolg gelungen. Ein berührender und zugleich ermutigender Film, den sie sich selbst auf den Leib schrieb. Eine Geschichte, wie gemacht für die Leinwand. Denn die Leinwand liebt starke Frauen. Hier unsere Top 11.

Natürlich kann diese Liste keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Auch wenn es über Jahrzehnte viel zu wenige Filme über starke Frauen gab, freuen wir uns darüber, dass es in den letzten Jahren immer mehr werden. Amazonen aus Männerfantasien wie es sie zuhauf in aktuellen Comicverfilmungen gibt, haben wir bewusst außen vor und stattdessen echten, wahrhaftigen Frauen den Vortritt gelassen. Viel Spaß mit unserer Top 11, geordnet nach der internationalen Filmbewertungsplattform IMDb.

PLATZ #11: MARIA MONTESSORI (2023)

Paola Cortellesi spielte die Rolle der weltberühmten Maria Montessori, die ein selbstbestimmtes, aber auch dramatisches Leben führte, bereits im Jahr 2007. In der aktuellen Kinoverfilmung wird sie nun von Paolas Schauspielfreundin Jasmine Trinca verkörpert: Maria Montessori, 1870 in Italien geboren, war eine der ersten Frauen, die ein Medizinstudium mit Promotion abschloss. Die von ihr begründete Montessori-Pädagogik setzt auf Zuwendung, Geduld und Liebe – mit dem Ziel das Kind zum „Baumeister seines Selbst“ zu machen. Montessoris Motto: „Bildung ist das stärkste Werkzeug, das du einem Kind geben kannst – und ein bisschen Rebellion hat noch niemandem geschadet.“

 

In der aktuellen Filmversion von Montessoris Leben (Regie: Léa Todorov) ist der erzählerische Kunstgriff die fiktive Figur einer Pariser Kurtisane, die von Leïla Bekhti verkörpert wird. Sie bringt ihre autistische Tochter nach Rom an das Institut von Montessori, die die patriarchalen Strukturen ihrer Zeit durchbricht, die Welt der Pädagogik auf den Kopf stellt, aber auch persönliche Dramen durchstehen muss: Montessori blieb es verwehrt, ihren eigenen Sohn großzuziehen. 

IMDb-Wertung: 6,7

PLATZ #10: 8 FRAUEN (2002)

Friedlich wie im Märchen steht das Landhaus da, umweht von zarten Schneeflocken, denn bald ist Weihnachten. Leider verdirbt ein Messer im Rücken dem Hausherrn die festliche Stimmung. Monsieur Marcel liegt tot auf seinem Bett. Die Hinterbliebenen scheint das wenig zu kratzen. Gaby, seine Gattin hatte ohnehin schon die Koffer gepackt, die Schwiegermutter denkt vor allem an ihre Aktien und eine der Töchter ist guter Hoffnung von Papa, der gottlob gar nicht ihr Papa war. Eine feine Familie. 

 

ACHT FRAUEN und ein toter Mann bevölkern das Haus, eine von ihnen ist die Mörderin. So einfach, so gut. Aber was für Frauen! Die Löwinnen des französischen Kinos sind es, die Regisseur François Ozon hier aufeinander loslässt: Catherine Deneuve, Fanny Ardant, Isabelle Huppert, Emmanuelle Béart sowie die mit 85 Jahren ungebrochen niederträchtige Danielle Durrieux, die als trinkende Hypochonderin im Rollstuhl durch die Kulisse rollt. Nicht zu vergessen Virginie Ledoyen, Ludivine Sagnier und Firmine Richard als geheimnisvolle Köchin. Die Franzosen lieben ihre Diven. Und auch Regisseur François Ozon legt ihnen einen Blumenkranz zu Füßen. Orchideen für die voll Erblühten, rote Rosen für die Gefährlichen, Margariten für die Mädchen, Stiefmütterchen für Großmama. Es beginnt harmlos wie eine Landesgartenschau und endet als Inferno weiblicher Bosheit. Jede könnte die Mörderin sein – und jede bekommt ihre eigene hinreißende Musicalnummer, um ihr Alibi (oder ihre Lügen?) zu präsentieren. Vorhang auf für Mord, Musik und acht fabelhafte Frauen!

IMDb-Wertung: 7,0

PLATZ #9: WE WANT SEX (2010)

Dagenham ist das britische Pendant zu Wolfsburg. Nur dass hier keine Volkswagen gebaut werden, sondern Autos von Ford. In der brummenden britischen Autostadt fliegen 1968 die Klamotten in die Ecke – und zwar weil es viel zu heiß in der Fabrik ist. Da beschließen die Arbeiterinnen, die in der unerträglichen Hitze in den Werkshallen oft nur in Unterwäsche arbeiten können, dass es reicht. Angeführt von Rita O'Grady, gespielt von der quirligen Sally Hawkins, treten sie in den Streik – auch für gleiche Bezahlung. Es ist der erste Frauenstreik in Großbritannien.

 

Regisseur Nigel Cole verknüpft den vergnüglichen Geschlechterkampf mit Zeitkolorit und der Popkultur der Swinging Sixties zu einem bunten Zeitpanorama mit temperamentvollen Heldinnen. Es waren einfache Frauen wie die Näherin Rita, die zuvor nicht politisch aktiv gewesen waren und sich plötzlich in der politischen Manege wiederfanden – mit Erfolg: 1970 wurde in Großbritannien der Equal Pay Act verabschiedet. 

IMDb-Wertung: 7,1

PLATZ #8: CARAMEL (2007)

Beirut im Jahr 2007. Das „Paris des Nahen Ostens“ pulsiert vor Energie und mit der Stadt auch die sechs Frauen, deren Geschichten sich in dem Debüt der Libanesischen Regisseurin Nadine Labaki kreuzen, wo das Karamell nicht nur für die Beine verwendet, sondern auch für das Leben an sich steht: klebrig süß und manchmal ein bisschen schmerzhaft. 

 

Layale (gespielt von Nadine Labaki), die Salonbesitzerin, hat eine Affäre mit einem verheirateten Mann – so geheim, dass sie sich nur in seinem Auto treffen, was wahrscheinlich mehr über seine Fahrkünste als über ihre Romanze aussagt. Nisrine ist keine Jungfrau mehr und ihre Hochzeit steht vor der Tür. Rima hingegen hat ein Auge auf eine Kundin geworfen – wenn Blicke Haare glätten könnten, wäre sie die Königin der Keratin-Behandlungen. Dann gibt es noch die Schwestern Rose und Lili, die so altmodisch sind, dass sie wahrscheinlich denken, ein Selfie sei eine Art schnelles Nickerchen. Rose findet spät im Leben Liebe, während Lili weiterhin Strafzettel sammelt wie Liebesbriefe. Und Jamale, die Schauspielerin, die mehr Zeit damit verbringt, ihre Falten zu zählen als Textzeilen – wenn das Altern ein Film wäre, wäre sie bereit für die Fortsetzung. Frauen, die in der Stadt des Chaos und der Charmeure ihren Weg suchen. Eine sinnliche Komödie, in der die Themen Liebe und Verantwortung, Tradition und Moderne, Christentum und Islam herzenswarm und pragmatisch betrachtet werden.

IMDb-Wertung: 7,1

PLATZ #7: NOMADLAND (2020)

Eine Oscar-Preisträgerin, die in einem Van lebt. Gerade hatte Frances McDormand für THREE BILLBOARDS OUTSIDE EBBING, MISSOURI ihren zweiten Oscar als Beste Hauptdarstellerin bekommen, da setzte sie sich für Chloé Zhaos Roadmovie hinters Steuer. NOMADLAND erzählt die Geschichte der 60-jährigen Witwe Fern (Frances McDormand), die nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch ihrer Heimatstadt Empire, Nevada, ihr Leben in einen Van packt und als moderne Nomadin durch die USA fährt. Der Film basiert auf dem Sachbuch „Nomadland: Surviving America in the Twenty-First Century” von Jessica Bruder.

 

Ferns Reise durch die Vereinigten Staaten ist eine Entdeckungstour der Freiheit abseits konventioneller gesellschaftlicher Strukturen. Sie nimmt saisonale Jobs an, von der Arbeit in einem Amazon-Fulfillment-Center bis hin zur Zuckerrübenernte, und begegnet dabei anderen Nomaden, die ebenfalls aus dem traditionellen Leben ausgestiegen sind. NOMADLAND zeichnet sich durch seine authentische Darstellung und die Einbeziehung echter Nomaden aus, die sich selbst spielen und oft improvisieren. Ein poetisches Porträt des amerikanischen Westens, das dazu einlädt, über Themen wie Verlust, Gemeinschaft und den Wert von Freiheit nachzudenken. McDormands kraftvoll-zurückhaltende Darstellung, unterstützt von der malerischen Kameraarbeit von Joshua James Richards und der Musik von Ludovico Einaudi - NOMADLAND gewann Oscars für den Besten Film, die Beste Regie und abermals Frances McDormand als Beste Hauptdarstellerin.

IMDb-Wertung: 7,3

PLATZ #6: WER WEISS, WOHIN (2011)

Noch einmal die großartige Nadine Labaki: Auch ihr zweiter Spielfilm WER WEISS, WOHIN (2011) handelt vom Leben im Libanon. In einem Dorf irgendwo im Nirgendwo liegen viele junge Männer auf dem Friedhof, die ihr Leben in archaischen Konflikten zwischen Christen und Muslimen verloren haben.

 

Obwohl der Imam, der Priester und die Frauen alles versuchen, um die Männer zur Vernunft zu bringen, wird die Situation immer aufgeheizter. Doch die Frauen haben genug vom ewigen Blutvergießen und greifen zu unorthodoxen Mitteln, unter anderem kommen eine ukrainische Table-Dance-Truppe und selbstgebackene Haschkekse zum Einsatz.

IMDb-Wertung: 7,4

PLATZ #5: VOLVER (2006) 

Der spanische Regisseur Pedro Almodóvar hat den Frauen seines Lebens, den Frauen Spaniens, den Frauen überhaupt die leidenschaftlichsten filmischen Liebeserklärungen gemacht. Er sagt: „Mein Ideal einer Geschichte ist eine Frau, die sich in einer Krise befindet.“ Wir möchten hinzufügen: Und diese mit unerschütterlicher Liebe und dem nötigen Wahnsinn überwindet. In VOLVER – ZURÜCKKEHREN etwa erleben wir eine turbulente Familienzusammenführung, in die selbst das Jenseits miteinbezogen wird. 

 

Raimunda, gespielt von der strahlenden Penélope Cruz, jongliert mit Jobs, um ihre Familie über Wasser zu halten, während ihr Ehemann Paco lieber die Couch hütet. Doch als Paco sich an der Tochter vergreifen will, endet er als Küchendeko – und zwar tot auf dem Boden. In La Mancha, wo der Wind verrückt spielt und Geistergeschichten Alltag sind, taucht plötzlich Raimundas tote Mutter Irene auf – quicklebendig, aus dem Kofferraum. In dieser Familie ist das Absurde normal und der Tod nur ein Missverständnis – außer für die Männer. 

IMDb-Wertung: 7,6

PLATZ #4: DIE FRAUEN (1939) 

Im Jahr 1939 besetzte der große Hollywood-Komödiant George Cukor für seinen Klassiker DIE FRAUEN insgesamt 130 weibliche Rollen – nicht einmal die Tiere durften männlich sein. Joan Crawford und Norma Shearer gifteten um die Wette, ihre Rivalität auch hinter den Kulissen, war legendär. 

 

Crawford spielt eine Parfum-Verkäuferin, die Ausschau nach Alpha-Männern hält. Am Anfang des Films steht sie in außerehelicher Verbindung zu einem reichen Mann, dessen Frau, gespielt von Norma Shearer, von einer Phalanx scheinbar wohlmeinender Freundinnen beraten wird. Doch das ist nur der Ausgangspunkt für einen Reigen von Intrigen. Schon während der Dreharbeiten brannte die Luft. George Cukor nutzte die innige Abneigung der beiden Diven, ihren eisernen Willen und unbedingte Entschlossenheit als Motor und schuf damit eine hochtourige, bis heute unerreichte Komödie. Die beiden Remake-Versuche, in den 1950er und in den 2000er Jahren, floppten gnadenlos.

IMDb-Wertung: 7,7

PLATZ #3: ANATOMIE EINES FALLS (2023)

Goldene Palme in Cannes, sechs Césars, Oscar fürs Drehbuch, nur leider nicht für Hauptdarstellerin Sandra Hüller, denn den bekam in diesem Jahr Emma Stone (siehe Platz #2). Aber angesichts der Anzahl sonstiger Auszeichnungen, bislang 90 an der Zahl, versendet sich das. Sandra Hüller ist überwältigend! In diesem packenden Justizdrama von Justine Triet (Regie und Drehbuch) spielt sie die Hauptverdächtige in den Ermittlungen zur ungeklärten Todesursache ihres Ehemanns. Samuel (Samuel Theis) ist offenbar vom Balkon oder aus dem Dachfenster des Chalets gestürzt, welches das Paar in den französischen Alpen bewohnt.

 

Justine Triet wollte „keinen bequemen Film“ machen, sondern suchte eine „nacktere und rauere“ Bildsprache als bei ihren vorherigen Filmen, darunter die großartige Komödie VICTORIA – MÄNNER & ANDERE MISSGESCHICKE (2016). Doch ANATOMIE EINES FALLS ist nicht nur ein Krimidrama, sondern in nahezu Bergmannscher Konsequenz auch ein Porträt eines dysfunktionalen Paares in dessen Auseinandersetzungen kein Stein auf dem anderen bleibt. 

IMDb-Wertung: 7,8

PLATZ #2: POOR THINGS (2023)

Yorgos Lanthimos hat schon viele wunderbare Frauenfiguren auf die Leinwand gebracht: etwa Rachel Weisz in der surrealen Dating-Groteske THE LOBSTER (2015) oder das Ensemble in dem höfischen Intrigenspiel THE FAVOURITE – INTRIGEN UND IRRSINN (2018) mit Olivia Colman, Emma Stone und abermals Rachel Weisz. Doch mit POOR THINGS (2023) hat sich Lanthimos selbst übertroffen. Zusammen mit Hauptdarstellerin Emma Stone betritt er eine neue Dimension für Fantasie und Poesie, Kraft und Leidenschaft im Kino. 

 

Stell dir vor, ein verrückter Wissenschaftler im viktorianischen England (Willem Dafoe) spielt Frankenstein in Steampunk-Manier und erschafft eine junge Frau aus dem Körper einer Toten und dem Gehirn ihres ungeborenen Babys. Diese Hauptfigur, Bella Baxter, gespielt von einer brillanten Emma Stone, ist eine feministische Frankenstein-Kreatur, die mehr nach Liebe und Abenteuer dürstet, als es die Sitten der Zeit erlauben. Bella beginnt als Kind und erschafft sich selbst Kraft ihres eigenen Verstandes – und ihres nicht zu unterschätzenden sexuellen Appetits. POOR THINGS wurde verdientermaßen mit Preisen, darunter allein vier Oscars, überhäuft. 

IMDb-Wertung: 8,0

PLATZ #1: DIE FABELHAFTE WELT DER AMÉLIE (2001)

Amélie ist nicht nur eine Meisterin des Creme-Brûlée-Knackens, sondern auch eine moderne Fee, die sich heimlich in das Leben ihrer Mitmenschen schleicht, um es mit kleinen Gesten zu verbessern. Sie hilft ihrem Vater, seine Trauer zu überwinden, indem sie seinen Gartenzwerg auf eine Weltreise schickt, und sie verfolgt einen rätselhaften Fremden, um ihm seine verlorenen Schätze zurückzugeben. Doch während sie anderen zu ihrem Glück verhilft, muss Amélie lernen, auch ihr eigenes Glück zu finden – und das könnte näher sein, als sie denkt, in Person eines schüchternen, aber charmanten Sammlers von Passfotos. 

 

Der große französische Kinozauberer Jean-Pierre Jeunet (Regie und Drehbuch) hatte zuvor ALIEN – DIE WIEDERGEBURT gedreht und kehrte mit diesem bildgewaltigen Märchen zu seinen Wurzeln zurück: die Erschaffung magischer Bilderwelten mit absurdem Humor. Für Audrey Tautou war die Rolle der Amélie der Durchbruch zum Weltruhm, Yann Tiersens Soundtrack ist ein Evergreen, und die Ausstattungsdetails des deutschen Malers Michael Sowa, etwa die Schweinelampe in Amélies Schlafzimmer, sind bis heute legendär. Vor allem aber ist es die Figur der Amélie selbst, die uns zeigt, dass das wahre Wunder des Lebens oft in den kleinen Dingen liegt, die wir füreinander tun.

IMDb-Wertung: 8,3

In kleinen Dingen kann große Magie liegen, es braucht nicht immer große Thesen. Auch Paola Cortellesis Regiedebüt MORGEN IST AUCH NOCH EIN TAG proklamiert keinen Feminismus mit erhobenem Zeigefinger, sondern erzählt von einer leichten, geradezu beiläufigen weiblichen Solidarität angesichts der Übermacht des Patriachats im Italien der 1940er Jahre. Jetzt im Kino!

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Autor/-in: A. Smithee
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